Erster Tag in Woserin. Auf dem Weg hierher sind wir die letzte halbe Stunde durch Wald gefahren. Ein Auto kam uns entgegen. Woserin liegt versteckt in Mecklenburg-Vorpommern. Und das Gutshaus, unser Domizil für diese Woche, liegt direkt am See. Sonst nur Bäume und Büsche, die sich in den See erstrecken. Kein anderes Haus oder Restaurant oder Kiosk. Nur wir, die Natur und der See.
Von gestern zu heute hat der Herbst Einzug gehalten. Es ist kühl geworden und wir wickeln uns fester in die Jacken während des Spaziergangs um den See. Es gibt auch einen Strand für die Woseriner, der ist etwa zehn Meter lang und hat keinen Sand, sondern Wiese. Und einen Steg. Niemand hier. Nur wir mit unseren Kameras und staunenden Augen. Und atmen durch und lauschen auf die Stille.
Im Haus zurück schreiben wir. Die ersten Aufgaben fließen aus den Fingern. Dann, nach dem gemeinsamen Mittag in der großen schönen Küche, nehmen wir wieder unseren Fotoapparat und gehen auf die Suche. „Verborgene Schönheit“ suchen wir, spüren sie auf und schreiben darüber. Wir lesen und staunen wieder, dieses Mal über die Texte und Geschichten, Betrachtungen und Reflexionen. Und dann ist der erste Tag schon fast vorüber. Der Abend kommt und wir ziehen uns zurück, lesen, essen, betrachten den See.
Unglaubliches Woserin!
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Rosemarie:
Was wünsche ich mir von dieser Woche?
Ausruhen
Stehen bleiben
Durchatmen
Bei mir selbst ankommen
Selbst bestimmen
Meinen Geist entfesseln
Kraft tanken
Schreiben.
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Chico:
One way
Keine Ahnung was ich hier mache. Fünf Frauen und ich. Weichei, Frauenversteher, Weichgespült. Ich hör schon meine Kumpels frotzeln.
Wir beschnuppern uns, drehen eine Runde durch den Ort. Von wegen Ort. Eine Ansammlung von Häusern. Lauter komische Sachen: eine Ideenwiese, Schafe, Skulpturen verfallene Häuser und wiedergeborene Häuser. Und ein Gutshaus am See. Da sind wir. Umgeben von Kunst.
Es geht los. Anke stellt uns Fragen. Zwei nur für uns. Und dann noch eine. Eigentlich eine Aufgabe. Jeder zieht eine Impulskarte. Auf meiner steht „Wege“. Das steht auf der Rückseite. Vorne ist das Bild, ein Einbahnstraßenschild. One Way. Sofort fällt mir ein Satz ein. „Das Leben ist keine Einbahnstraße von der Wiege bis zur Bahre, sondern ein Parkplatz in der Sonne“ Keine Ahnung wo ich den mal gelesen habe. Aber behalten habe ich ihn mir.
Ein Parkplatz in der Sonne. Parken, ja schon, abgestellt, warten, ruhen das scheint uns hier zu erwarten. Vieles ist hier aus der Zeit gefallen. Die Sonne scheint es auch zu geben. Nicht heute, heute ist es bewölkt, es windet. Sonnenblumen gibt es und der See hat noch Restsonne. 25 Grad. Da muss einfach Sonne drin sein. Und sie wird wiederkommen. Spätestens morgen.
Ja, One Way – Einbahnstraße. Da passt ganz gut. Zu mir, zu meinem Leben. Es gab immer nur einen Weg, den geraden, den vernünftigen. In der Einbahnstraße darf man nicht drehen, nicht die Richtung wechseln. Immer geradeaus. Anders sein ist nicht. Jeder will etwas Besonderes sein, aber niemand will anders sein. Die anderen, die sind hier, in Woserin. Hier gibt es sie, die anderen – und es gibt keine Einbahnstraßen.
One Way. Ich bin gespannt wo der Weg hinführt, der eine Weg nach Woserin.
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Irene:
Der nächste Zug
Bauer Dame Königin
Konzentration, Planung, Vorausschau.
Vorbei an Wäldern und Seen.
Abholung in Bützow.
Die Welt ausblenden.
Im Scheinwerferlicht schreiben.
Ankommen. Hier sein.
(Rückblende)
Die letzten Tage mit Packen verbracht,
die sommerbuntfröhlichen, laut lachenden Stunden
in raschelndes Seidenpapier gewickelt,
jedes Detail noch einmal angeschaut, gefühlt,
für gut befunden, aufbewahrenswert als Erinnerung
an einen, an meinen Sommer.
Schreiben. Schreiben. Schreiben.
Von mir, von dir, von mir zu dir, von dir zu mir.
Den Kopf über dem Schachbrett gebeugt,
gebeugt über den schwarzen und weißen Feldern
wie die Sonnenblumen hier
am Woseriner grau-blauen See.
Der nächste Zug
auf den Spuren von Christa Wolf
die verwitterte Bank im Pfarrhaus
gelebte Geschichten
Bauer Dame Königin
Leben zwischen den Feldern.
Leben. Schreiben. Leben.
Nichts planen.
Bauer Dame Königin.
Platz ist für alle,
hier im Gutshaus am See.
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