Am Freitag, 17. Januar, endet die Ausstellung „Leuchtstoff III“ in der Bremer Kunstmix-Galerie mit eine Finissage, bei der wir – Studierende und ich – einige Texte lesen, die dort entstanden sind während unseres Seminars „Kreatives Schreiben zu Kunst“.
Beginn der Lesung: 17 Uhr
Ort: Kunstmix – die Produzentengalerie, Kolpingstraße 18, 28195 Bremen
Hier gibt es eine Kostprobe:
Zu: Fotogramme von Barbara Haiduck aus der Serie „collecting shells“
Anke Fischer
Kaleidoskop
Sie schloss die Augen und sah die Sonnenstrahlen durch die Lider leuchten. Mit den Händen verschloss sie ihre Ohrmuscheln. Das Rauschen war kaum noch zu hören. Der Sand schmiegte sich an ihrem Rücken, an Po und Beine wie eine Schale oder ein halb geöffneter Kokon. Der Sand wärmte sie auf eine angenehme Art, besaß genau die Temperatur, bei der sie vergaß über seine Temperatur nachzudenken.
Sie hätte jetzt stundenlang hier liegen können, den Sand im Rücken, den Himmel über ihr, der leichte Wind, der über das Gesicht strich. Es roch nach Algen und Meer. Nicht penetrant wie manchmal, sondern leicht und frisch und entsprach genau der Sehnsucht, die sie spürte, wenn sie an das Meer dachte.
Die Sonne leuchtete hell, ohne dass sie schwitzen musste und ohne zu blenden. Wenn sie ihre geschlossenen Augen noch fester zusammenkniff, dann zeichneten die Sonnenstrahlen Kreise auf dem Inneren der Lider und vermischten sich mit deren Blut und dem Druck auf der Iris. Die Kreise tanzten und pulsierten, bildeten Muster wie in einem Kaleidoskop.
Wie hatte sie es als Kind geliebt in ein Kaleidoskop zu schauen, daran zu rütteln, ganz leicht nur, damit sich neue Bilder aufbauten. Farbenprächtig und formenbunt. Schütteln und staunen und wieder schütteln.
Wann hatte sie das vergessen? Dieses Gefühl.
Ruckartig stand sie auf, klopfte sich die Körnchen ab, die an den Beinen hafteten. Ein letzter Blick auf ihren Kokon, dann fasste sie ihre Schuhe und stapfte durch den noch immer warmen Sand den Dünen entgegen.
Als erstes würde sie sich ein Kaleidoskop kaufen.