…und Entfernen der Knoten und Häkchen dauerte ihr zu lange. Sie lächelte zum Abschied und ging.
Bitte lesen Sie das Nachfolgende in seiner Komplexität, Darstellung und Aussagekraft hinsichtlich des Verständnisses genau durch. Ach, das Lesen eines Textes mit mehr als drei Substantiven fällt Ihnen schwer?
Das liegt vermutlich daran, dass diese Sätze im Nominalstil mit reichlich Substantiven verfasst sind. Sie lieben Sachtexte, wo sie sich zuhauf ansammeln und dazu führen, dass ein Leser den Inhalt selten beim ersten Mal versteht. Verspottet werden solcherart Substantivierungen als Amtsdeutsch, Kanzleistil oder Behördenjargon, wobei sie leider nicht auf die Bürokratie beschränkt bleiben. Auch wissenschaftliche Abhandlungen, Aufsätze oder Vorträge schmücken sich gern damit und erreichen doch nur, den Leser vom Leib (oder Text) fern zu halten. Denn der Nominalstil ist der sicherste Weg, Distanz aufzubauen. Manchmal schlägt dies in Antipathie oder auch Kopfschütteln um, sicher jedoch in Langeweile.
Leser wollen nah am Geschehen bleiben. Sie wollen aktiv und genau hören, was passiert. Sie wollen stehen, fühlen, sehen, reiten, gleiten, denken – oder zumindest daran teilhaben. Sie möchten die Wege betreten, die der Autor verbal beschreitet. Und nicht daneben stehen, zuhören dürfen und nachdenken müssen.
Und doch greifen Autoren zur Tastatur und substantivieren Verben (das Lesen, das Essen, das Denken, das Fühlen) oder Adjektive (das Schöne und die Schönheit, die Einzigartigkeit, das Wunderbare, das Ferne, das Nahe und die Leichtheit), setzen Artikel und Pronomen voran… und der Leser ist weg. Verlorengegangen zwischen den Sätzen. Ausgestiegen aus den –heiten und -keiten. Und den –ungs in all seinen Möglichkeiten und Zusammensetzungen des Geistes, der (selbstverliebt oder unbeholfen) dahinter steht.
Wir Autorinnen sollten daran denken, die Leser mit auf eine Reise zu nehmen. Wir erzählen. Mit Bildern und Gefühlen. Mit Landschaften und handelnden Menschen darin, die jedes Substantiv streichen, das durch ein Verb zu ersetzen ist. Wenn wir aber glauben, nur mit diesem Stilmittel das ausdrücken zu können, was wir möchten, dann sollten wir zuerst lang und gründlich darüber nachdenken. Und anschaulich in den Folgesätzen beschreiben, was wir mit dieser Abstraktion meinen (siehe Texte unten).
Wie schon „Schreiblehrer“ Wolf Schneider formulierte:
„Sie ist schwer, die Kunst der Verständlichkeit beim Schreiben. Vor allem aber die Kunst, verständlich zu schreiben!“
Beispiele:
In der Novelle habe ich mich bei der Darstellung des Finales grob an den Stationen des Kreuzweges orientiert. Tatsächlich war ich am Ende meiner Kräfte… (Ingo Schulze, Neue Leben)
Fahren war immer ein Glück. Solange du fährst, bist du noch nicht angekommen… (Herta Müller, Atemschaukel.)
Das Verbrechen der Partei lag darin, dass sie einem eingeredet hatten, bloße Regungen seien bedeutungslos… es war unwichtig, was man fühlte oder nicht fühlte. (George Orwell, 1984)
Kennen Sie weitere Beispiele? Dann schreiben Sie diese in den Kommentar. Wir sind gespannt…