…und meine Leserinnen fragten sich, was passiert wäre, wenn dieser gekratzt hätte?
Eine der häufigsten Schreibregeln, die nahezu jeder Lektor und jede Autorin wie ein Mantra betet, heißt: Verwende Adjektive und Adverbien möglichst sparsam! Ich schließe mich dem Mantra an. Und um es mit den Worten des treffsicheren Wolf Schneiders zu sagen: „Adjektive dienen der Unterscheidung – das gelbe Kleid, nicht das rote. Wo sie bloß schmücken wollen, sollten sie anklopfen, und wo sie einer dümmlichen Mode dienen: draußen bleiben.“
Adjektive dienen also zunächst der Unterscheidung. Sie schreiben Lebewesen, Gegenständen oder auch Handlungen bestimmte Merkmale zu und charakterisieren sie damit exakter. Genauigkeit ist daher das oberste Gebot!
Was genau möchte ich beschreiben? Was genau beschreibt das Eigenschaftswort?
Ich nehme ein Adjektiv zu Hilfe und charakterisiere. Oder ich verwende das Adjektiv abstrakt und beschreibe anschließend, was ich mit diesem dehnbaren Wort meine.
Eine Frau ist schön. Wunderbar. Aber Schönheit liegt nun einmal im Auge des Betrachters. Welche Schönheit sieht also die Autorin in der Frau? Sind es die gelockten Haare oder das Kinn. Oftmals sind es die Augen, die das Adjektiv zugewiesen bekommen. Nur, was ist schön an schönen Augen?
Jedes Wort erzeugt ein inneres Bild und bestimmte Emotionen. Bei vielen Menschen lösen Worte wie aktiv, glücklich, perfekt, hübsch, pikant oder sinnlich ein jeweils anderes Bild aus. Deshalb muss eine gute Autorin ihre Vorstellung dem Leser zeigen und beschreiben, wenn sie diesen auf die Reise mitnehmen möchte.
Verständlich wird ein Adjektiv also nur dann, wenn sich die Frau für das gelbe und nicht das rote Kleid entscheidet. (Und wir ihr zustimmen, weil wir wissen, dass ihre Haare und ihr Teint dazu passen. Oder die Autorin uns dieses ahnen lässt.)
Über jedes andere Eigenschaftswort sollten wir beim Schreiben gründlich nachdenken, ob es eine Handlung oder einen Menschen getreuer beschreibt oder ob es hohl und überflüssig eine Oberflächlichkeit dokumentiert. Fantasie und Fabulierkunst sind also gefragt. Und die berühmte Gründlichkeit beim Schreiben.