Im Juli fand wie jedes Jahr der Schreiburlaub in Bremen statt. Normalerweise stets in der ersten Ferienwoche, in diesem Jahr aus organisatorischen Gründen in der zweiten. (Im nächsten Jahr wieder in der ersten, so hoffe ich, wegen der mittlerweile mehrjährigen Tradition). Unser Raum im 7. Stock des Bambergerhauses ist nicht nur groß, sondern auch mit schöner Rundumsicht auf Bremen. Hier sitzen die Teilnehmer*innen eine Woche und schreiben zu verschiedenen Themen, die ich morgens stelle. Wir beginnen mit dem Warmschreiben mittels Kurz-Gedichten wie Elfchen oder Limericks, schreiben dann Kurz-Geschichten nach Genres wie Krimi oder Märchen oder skurrile Erlebnisse, die unsere Protagonistinnen und Antagonisten erleben. Größtenteils ein herrlicher Spaß, es darf aber auch ernst werden. Es wird geschrieben, gelesen, gelobt und besprochen, Tipps von mir helfen, das Handwerk zu üben oder zu erwecken oder zu verbessern.
In diesem Jahr stand an einem Tag auch das Thema: Kurzkrimi an. Soll es aus Sicht der ermittelnden Person, der Täterperson oder des Opfers sein? Ausprobiert werden darf alles. Aber zunächst schrieben wir uns mit Krimi-Elfchen „warm“. Und was dabei herauskam, muss ich unbedingt hier veröffentlichen: Jedes Elfchen erzählt eine eigene Geschichte, mal lustig, mal trocken, mal lakonisch, mal ernst. Wunderbar!
Ich danke allen Teilnehmerinnen, die dieses Jahr wieder mit solch großer Freude eine Woche mit mir in Bremen geschrieben haben. Es war eine ganz besonders berauschende Zeit, die uns wieder zeigte, wieviel Kreativität in uns steckt.
Seht und lest selbst:
Krimi-Elfchen von Annelie Havenstein:
Heiß
Der Pistolenlauf
Raucht noch leicht
Kugel steckt im Zeitungsboten
Verspätung
Eng
Der Hals
Schwillt langsam zu
Der Kaffee schmeckte komisch
Pech
Rutschig
Die Bremse
Reagiert nicht mehr
Fremdgehen darf man nicht
Tschüss
Blitzblank
Das Brotmesser
Es glänzt unschuldig
Eben tropfte noch Blut
Geschirrspüler
Uneben
Die Straße
Das Auto holpert
Lag da etwa jemand?
Gustav
Freundlich
Der Kassierer
Zehn Rollen Klebeband
Wollen Sie was basteln?
Vielleicht
Krimi-Elfchen von Henrike Weyh:
unheilvoll
der Blick
zur Tasse Kaffee
ich mag nicht trinken
vergiftet?
schwächer
der Atem
nimmt deutlich ab
ich lockere den Griff
Rache
undurchschaubar
der Plan
ein offensichtlicher Unfall
Ich lächle im Stillen
Erbschaft
klebrig
das Messer
ohne Mitleid zerteilt
ich zerquetsche die Hälften
Zitrusmord
dunkel
der Verdacht
gegen den Nachbarn
beweisen kann ich nichts
Umzugswunsch
Krimi-Elfchen von Petra Holl:
Rot
die Blutstropfen
im weißen Schnee
eine Ahnung erfasst mich
Nasenbluten
Ängstlich
die Frau
auf der Parkbank
ich nähere mich langsam
Rettung
Schwarz
die Nacht
und leere Straßen
schnelle Schritte hinter mir
Panik
Nervös
der Mann
in der Warteschlange
ich bemerke eine Zündschnur
Überfall
Krimi-Elfchen von Cornelia Varnhorn:
Mord
mit Messer
oder lieber Gift
Rache, Eifersucht und Gier
Gefängnis
Polizei
kommt sofort
Versuch reizt so
Koks in der Tasche
Kick
Mord
mit Aussicht
ein witziger Krimi
regt zum Lachen an
Fernsehabend
Krimi-Elfchen von Susanne Bänfer:
Verschlagen
Der Bösewicht
Auf der Lauer
In meinem schönen Garten
Erkannt
Wütend
Das Weib
Mit dem Messer
Die Ex meines Mannes
Bedrohung?
Unerkannt
Der Mörder
Er schlummert noch
Grinst zart im Spiegelbild
Bald
Dunkel
Das Moor
Im abendlichen Mondlicht
Ich bin ganz allein
Orientierungslos
Krimi-Gedicht von mir:
So schnell kann‘s gehen
Da lag er nun der arme Tropf
beraubt von Ehre und dem Kopf
als Torso lag er ganz in blau
die Gesichter der Passanten grau
denn einen Körper in mehreren Teilen
der schüchtert Menschen ein zuweilen
Und dennoch fragte sich jeder dort
Was war passiert an diesem Ort?
Die Polizei kam mit Tatütata
Der Leichenwagen war auch schon da
Doch der musste erstmal warten
die Polizei verteilte Karteikarten
fotografierte, befragte und tütete ein
Arm für Arm, Bein für Bein
Viel blieb nicht übrig für die Begräber
Ihre Zeit wird kommen später
Die Polizei fragte die Menge nun dies und das
doch gesehen hatte hier niemand was
Plötzlich habe der Körper dort gelegen
niemand getraute sich ihn zu bewegen
Eine Frau hatte geschrien und die Aufregung war groß
so ein Körper ganz tot, da war Panik los
aufgeregt war man hin- und hergerannt
oder schaute dem Treiben zu gebannt
Nichts hatte die Polizei erfahren
also war sie aufs Revier gefahren
dann waren Sherlock Holmes und Watson gekommen
und hatten sich des Falls angenommen
Ein Blick von Sherlock hatte genügt
Und er ahnte wer das Verbrechen verübt
Mit der Geschichte des Opfers stand bald fest
wer ihm gegeben hatte den Rest
Der Tote war ein Minister gewesen
der sich hatte bereichert an Spesen
vor allem aber im Stadtbordell
das meldeten die Damen dem Kartell
Das Kartell hielt nichts von dem Minister
wollte zunächst einen Benzinkanister
über ihn schütten und zünden an
entschied sich für eine andere Methode dann
Erklärten dem Herrn, dass er das lassen soll
doch der fand die Aussicht kaum sinnvoll
einfach so hinzuleben in dieser Stadt
er hatte den Alltag einfach nur satt
Wollte prassen, lieben, saufen und fressen
das Geld dafür ging leicht zu erpressen
Also sagte er nein zum Mafiapaten
und dass er keine Angst habe von dessen Taten
schüttelte den Kopf, der arme Tropf
Dann war der ab, so schnell geht das!
Und die Moral von der Geschicht‘:
Bereichere dich auf Kosten anderer nicht!