Erschriebene Betonwelten: Texte zu Joachim Manz

In der Städtischen Galerie in Bremen sind noch bis zum kommenden Wochenende die „AltbautenNeubauten“ von Joachim Manz zu sehen. Mit den kreativ Schreibenden der Universität Bremen tauchten wir in die Betonwelten ein und ließen mystisch-skurrile, erschreckende und fantastische Geschichten auf das Blatt fließen. 
Ein erster Text und Bild: 

 

Gehäuse 

„Gehäuse“ von Joachim Manz, Text: Lisa Barth

Er hörte ein Knirschen von Beton an Beton. Ein gleitendes Knirschen. Seine Augen waren noch zu geschwollen, als dass er sehen konnte, woher das Knirschen kam. Er nahm nur ein Ändern der Helligkeit wahr. Ein ständiges ruhiges Flackern zwischen Hell und Dunkel, das durch seine Lider schien. Und er hörte das ausdauernde Gleiten.
Später, als er seine Lider einen Spalt öffnen konnte, sah er, dass sich die Wand am Ende des Raumes bewegte. Sie lief beständig von einer Seite zur anderen, wie auf Schienen, die unterhalb des Bodens lagen. In der Wand ließen breite und schmale Spalten, rechteckige und runde Löcher einen Augenschlag lang Licht ins Innere scheinen. Er hob den Kopf und sah, dass der Raum etwa drei mal drei Meter maß. Die Decke war höher, mehr als vier Meter.
Er spürte seine geschwollenen Augen und die schmerzende Nase. Seine Hände waren am Rücken fest verschnürt. Er lag auf der Seite und die Kälte des Betonbodens haftete an seinen Knochen, lähmte die Muskeln.Die Wand vor ihm glitt beharrliche weiter von einer Seite zur anderen, so langsam, dass er einen blauen Himmel außerhalb erkannte. Er musterte die Fenster und wusste, dass er hindurch passte.
Als er aufstand, spürte er die schmerzende Hüfte und humpelte zum Licht. Etwa einen Meter vor der Wand blieb er stehen. Jetzt sah er ein weiteres Blau unterhalb des Himmels. Ein fernes Meer.
Er sprang durch eine größere Öffnung, die Hände noch immer auf dem Rücken verschränkt. Er stolperte, taumelte, lehnte sich mit dem Oberkörper an die Seitenwand und verschnaufte. Vor ihm lag ein unendlicher Ozean, er roch das Salz. In kleinen Schritten hangelte er sich bis zur Betonkante vor, hielt inne, wagte den Blick nach unten und taumelte erneut. Er lehnt sich an die Wand. Ihm war übel.
Es vergingen einige Minuten, bis er es wagte, erneut nach unten zu sehen und zu erkennen, was er schon beim ersten Mal erkannt hatte, dass nichts unter ihm war als weite Leere und Meer.

 

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